Besuch im Striplokal

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Regel Nummer 1 im Striplokal: Bier ist teuer, wenn es von nackten Frauen serviert wird

© Stocksy

Mein erster Versuch, ein Striplokal zu besuchen, scheiterte mitten in der Nacht kläglich. Ich war 18, betrunken und das Bier war leer. In diesem Alter und in diesem Zustand und zu dieser Uhrzeit kommt immer einer auf die Idee: Lass uns in einen Stripschuppen fahren! Da gibt es noch was zu trinken! Der Ort, der Jungs in Männer verwandelt. So die Selbstrechtfertigung. Also fuhren wir, nachdem ich meine erste Panikwelle überwunden hatte, genau dorthin. Um auf dem Parkplatz festzustellen, dass keiner von uns Geld dabei hatte. War wohl nichts. 

Der zweite Versuch, ein paar Jahre später: ähnlich erfolgversprechend. Der Türsteher überzeugte unsere angetrunkenen Ichs (erkennen Sie das Muster?), dass das Etablissement noch geschlossen wäre. Zu wenig los. An einem Samstagabend. Wenige Minuten später ließ er eine Gruppe Männer hinein, die sich ohne gegenseitige Unterstützung auf den Beinen halten konnten. 

Beim dritten Versuch war das egal. Wir feierten einen Junggesellenabschied. Offenbar die Wild Card selbst für den desolatesten Zustand. Striplokale hießen mittlerweise "Tabledance-Clubs", wir waren in einem Alter, in dem man diskutierte, ob in solch einer Lokalität eher die Frauen oder die Männer ausgebeutet werden. Wir einigten uns auf beide und betraten das Etablissement. Beziehungsweise einen anderen Planeten. 

Nacktbars sind eine seltsame Parallelwelt. In unserem Fall war der komplette Raum verspiegelt. Wände, Böden, Decken. In der Mitte Tanzfläche mit Stange. Drumherum: Hocker. Die Männer, die dort arbeiteten, sahen alle aus wie Ralf Richter in "Bang Boom Bang". Weite Jogginghosen, schmierige Haare, Unterhemden. 

Plötzlich ein Rauschen der Ecke des Raumes. "Und hier jetzt, Roxanne, ein, huääääch (belegter Huster), Männertraum, der euch den Kopf verdrehen wird." Das Etablissement hatte tatsächlich einen nuschelnden Ansager und DJ, der die Tänzerinnen ankündigte. Der Song, der nun folgen musste, natürlich: "Roxanne" von Police. 

Mit dem Gesicht zwischen Brüsten 

Der Rest des Abends zog wie ein soziologisches Experiment an mir vorbei. Titel: "Die Auswirkungen weiblicher Genitalia auf die männliche Psyche." Ein im sonstigen Leben besonders schüchterner und zurückhaltender Kollege saß stundenlang in der ersten Reihe, direkt an der Tanzfläche. Im Mund ein Geldschein, damit die Tänzerinnen ihn zwischen ihre Brüste klemmen können. Ich wartete nur darauf, dass er sich das T-Shirt vom Leib reißt und über dem Kopf kreisen lässt. 

Ein anderer direkt neben mir unterhielt sich mit einer Tänzerin über ihre Tochter und ihr hartes Schicksal als alleinerziehende Mutter. Er, Mitte 30, ziemlich betrunken und verständnisvoll, Sie Mitte 20, im Tanga, je eine Hand auf seinem Oberschenkel, die Brüste fünf Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. 

Bier ist teuer, wenn es von nackten Frauen serviert wird 

Den Höhepunkt aber lieferte der Bräutigam. Er wurde von einer der Damen auf die Bühne gezerrt, wo diese sich schnell seines Gürtels bemächtigte. Der arme volltrunkene Mann warf sich daraufhin sofort auf alle Viere, um sich den Hintern versohlen zu lassen. Offenbar seine Vorstellung der Ehe. Die Tänzerin zog ihn irritiert nach oben. Sie wollte eigentlich vorher erst mal ihre Show abziehen. Was ihn nicht davon abhielt, sich jedes Mal wieder in die gleiche zu begeben, sobald sie mit dem Gürtel in seine Nähe kam. Sie gab entnervt auf und versohlte ihm stillschweigend den Hintern.

Der Abend endete schließlich wie vor 20 Jahren - auf dem Parkplatz, der schüchterne Kollege noch immer einen zerknitterten Dollar zwischen den Zähnen. Umzingelt von vier Ralf Richtern stellten wir fest, wie teuer so ein Bier sein kann, wenn es von nackten Frauen serviert wird. Aber wir waren jetzt nach 35 Jahren endlich Männer. Mit leeren Taschen.

Felix Reek

© Daniel Hofer

Aufgewachsen im beschaulichen Rheingau zwischen Weinbergen und japanischen Touristen, konnte aus unserem Kolumnisten Felix Reek nur eines werden: genau, Archäologe. Bis ihm auffiel, dass man da im Zweifelsfall 30 Jahre im gleichen Erdloch buddelt und am Ende gar nichts findet. Also studierte er in Marburg Literatur und Filmwissenschaft und begann zu schreiben. Wenn er das nicht tut, prügelt er auf wehrlose Gitarren ein und schaut seiner Tochter beim Wachsen zu.

Lust auf mehr? Alle Folgen von "Felix' verrückte Welt" haben wir hier für Sie zusammengestellt


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