Eben noch New York, danach ein kurzer Abstecher nach London, letzte Woche Mailand und dann ab nach Paris: Jedes Jahr im September klingen die Reisepläne von Models, Journalisten, Einkäufern und Bloggern wie eine Hommage an die berühmte Haarspray-Werbung aus den Achtzigerjahren. Wenn die "big four", die vier wichtigsten Modestädte der Welt, zu ihren Fashion Weeks laden, kommen alle. Gegen Ende dieses Staffellaufs aber geht dann doch so manchen die Luft aus. Nach dem pompösen Auftakt in New York, der Aufbruchsstimmung in London und der Euphorie in Mailand wollen Publikum und potenzielle Kunden bei der Kleiderstange gehalten werden. Das gelingt Paris in diesem Jahr außerordentlich gut, die Modewelt reiste mit besonders viel Neugier im Gepäck an die Seine.
Schließlich warteten dort gleich drei Debütanten auf ihren ersten großen Auftritt. Den Auftakt machte am Dienstag der Belgier Anthony Vaccarello, der gerade einmal fünf Monate Zeit hatte, dem Traditionshaus Yves Saint Laurent nach dem Abgang von Hedi Slimane seine eigene Handschrift zu verpassen. Die wirkt noch nicht ganz flüssig: Vaccarello verneigte sich mit seiner von Saint Laurents Entwürfen aus den Achtzigerjahren inspirierten Kollektion vor dem Meister. Er spielte mit schwarzem Leder, schmalen Silhouetten, breiten Schultern und mixte Boyfriend-Jeans zum Smoking. Die ganz große Vision aber blieb aus, Vaccarello verließ sich lieber auf nackte Haut.
Auch im Hause Lanvin hat die kreative Führung gewechselt: Bouchra Jarrar debütierte am Mittwoch mit ihrer Frühjahrskollektion. Sie muss wie Vaccarello große Fußstapfen füllen: Über ein Jahrzehnt lang designte bei Lanvin der spanische Sympathieträger Alber Elbaz, der wie Slimane nicht nur mit Persönlichkeit, sondern auch lange mit guten Verkaufszahlen überzeugte. Dass mit Jarrar eine Frau antritt, macht ihre Aufgabe in der noch immer männlich dominierten Modebranche nicht gerade leichter. Sie versuchte erst gar nicht, Elbaz' opulentem Stil nachzueifern. Abgesehen von der pompösen Kulisse im Pariser Rathaus regierte bei Jarrar zarte Weiblichkeit. Chiffon, Spitze, Blumenmotive, hier und da mal eine Bikerjacke. Das ist zwar auch nicht gerade revolutionär, wirkte aber autonomer als das Debüt von Vaccarello.
Die neue Lanvin-Designerin ist in guter Gesellschaft. Mit größter Spannung wurde auch das Debüt von Maria Grazia Chiuri für Dior am Freitag erwartet. Chiuri hatte zuvor dem italienischen Unternehmen Valentino eine Verjüngungskur verpasst, nun soll sie die Lücke schließen, die Raf Simons hinterließ, der Dior Ende 2015 verließ. Es war ein ambivalenter Start in die neue Dior-Ära: Mit ihren Kleidern und Röcken aus zartem Tüll, den an Fecht-Anzüge erinnernden Oberteilen und ihren T-Shirts mit Schriftzügen wie "We should all be feminists" und "DIO(R)EVOLUTION" schuf Chiuri zwar die perfekte Garderobe für die moderne Großstadtnomadin, die Kämpferin und Prinzessin zugleich sein kann, entfernte sich damit aber kaum von ihrem Valentino-Stil. Das Pariser Publikum schenkte ihr dennoch stehende Ovationen.
Auch die wohl glamouröseste Debütantin der Pariser Fashion Week applaudierte bei Dior: Bereits am Tag zuvor hatte Rihanna gut gelaunt ihre "Fenty by Rihanna"-Kollektion für Puma präsentiert. Die Pop-Ikone wurde ihrem Ruf als Meisterin der Inszenierung gerecht und mixte vor der Kulisse des Hôtel Salomon de Rothschild im feinen 8. Arrondissement rosafarbene und weiße Spitzenkleider, Perlen und Fächer mit mädchenhafter Attitüde mit Plateau-Turnschuhen. Als Inspiration habe die Vorstellung von Marie Antoinette im Fitnessstudio gedient, ließ die Teilzeitdesignerin wissen.
Spitze gegen Modeblogerinnen
"Frauen an die Macht", so könnte das Motto der diesjährigen Pariser Modewoche lauten. Einige Damen scheinen die neu gewonnene Mode-Macht aber nicht jeder neuen Kollegin zu gönnen. In einem Fazit über die Mailänder Fashion Week, das gleichsam Ausblick auf Paris war, holte Sally Singer von der US-"Vogue" zum Schlag gegen eine Spezies aus, die vielen etablierten Magazinen ein Dorn im Auge ist: Modebloggerinnen. Die, so Singer, würden nichts anderes tun, als alle paar Stunden ihre gesponserten und geliehenen Designer-Outfits zu wechseln, nur um sich darin fotografieren - und dafür bezahlen - zu lassen. Mit gutem Stil habe das nichts zu tun. Ihre Kollegin Sarah Mower trat nach: Es sei mitleiderregend, wie die Bloggerinnen am Rande der Schauen verzweifelt versuchten, sich ins Bild der Fotografen zu drängeln. Und Alessandra Codinha fügt im selben Text noch hinzu, dass die Suche nach Stil auf einem gesponserten Blog genauso unergiebig sei wie der Besuch der Strip-Bar, wenn man Romantik suche.
Der Angriff der "Vogue"-Redakteurinnen auf die Bloggerinnen ist symptomatisch für den Umbruch der Branche. Denn Blogs sind längst mehr als kleine, private Online-Tagebücher modebegeisterter Mädchen. Die Italienerin Chiara Ferragni etwa hat ihren Blog "The Blonde Salad" zu einem lukrativen Unternehmen ausgebaut, modelt und betreibt einen eigenen Onlineshop. Mit über sechs Millionen Fans auf Instagram erreicht sie mit einem geposteten Foto mehr Menschen als so manche Werbekampagne. Das lockt nicht nur große Unternehmen: Magazine wie "Vogue" verlieren potenzielle Werbekunden und Leser an diese Seiten.
Nicht allen neuen Medienphänomen stehen die Mitarbeiterinnen von Anna Wintour so skeptisch gegenüber: Kim Kardashian, Reality-TV-Star mit Hang zu offenherzigen Outfits, zierte sogar schon das Cover der Vogue. Auch Kardashian war in Paris - und fiel dort einer Grabsch-Attacke desselben Mannes zum Opfer, der in Mailand schon Gigi Hadid zu nahegekommen war. Diesmal galt der Angriff Kardashians wie immer gekonnt in Szene gesetztem Hinterteil. Der Aufschrei war groß, die Aufmerksamkeit auch - und Paris um ein kleines Spektakel reicher.
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